Die Rabenkrähe am Wegesrand

Die Rabenkrähe am Wegesrand

An einem klirrend kalten Sonntag, Ende Januar 2006, fuhr ich auf meinen Inline-Skates an der Nidda entlang.
Neben einer Holzbank sah ich etwas im Gras, was dort sonst nicht war …“ einen schwarzen Fleck…
Ich drehte um und sah genauer hin: Etwas blinzelte mich türkis funkelnd an. Es war eine regungslose Rabenkrähe, nur ihre Augen bewegten sich.

Viele Fußgänger …“ sogar mit Hunden gingen an ihr vorbei …“ keiner nahm sie wahr. Und ich stelle mir die Frage: Was nun…Mir war nicht klar, was ich tun sollte. Für mich war eine Rabenkrähe ein wildes, freies Tier, das in der Natur für sich selbst die Verantwortung trägt. Ich wünschte ihr alles Gute und fuhr dann weiter…

Auf meinem Rückweg kam ich wieder an die Holzbank und sie saß immer noch da. Ich setzte mich auf die Bank und schaute sie an… sie schaute mich an und bewegte sich etwas.

Mir war nicht klar, was nun die Lösung für diese Situation war… und ich hatte Angst! Die Hoch-Zeit der Vogelgrippe-Hysterie war gerade etwas abgeflaut….aber ich, als hypochondrisch veranlagte Person, fühlte mich nicht wohl, bei dem Gedanken, dass ich ein wildes Tier einfach anfassen sollte und dieses dann noch auf Inline-Skates Heim befördern sollte…

Ich rief einen guten Freund über mein Handy an. Er sagte mir, dass ich nicht so lange fackeln, sondern die Rabenkrähe einem Tierarzt bringen sollte. Ich hätte ihm am liebsten einen Vogel gezeigt 😉

Es dämmerte mir, dass ich etwas tun musste. Ich rief bei der Auskunft an …“ damit ich die Telefonnummer von einem Tierarzt oder Tierheim bekomme aber die konnten mir niemanden nennen, der Sonntags geöffnet hatte…..

Also wählte ich die 110 und hatte eine freundliche Frau am Apparat, die mir die Nummer einer Tierärztin heraussuchte, deren Praxis auch tatsächlich geöffnet hatte…
Ich rief diese an und sie erklärte mir, ich könnte ihr die Rabenkrähe in die Praxis bringen – müsste aber die Behandlungskosten selbst tragen. Mir wurde bewusst: Ich musste die Rabenkrähe annehmen …“ trotz meiner Ängste und Befürchtungen.
Plötzlich kam mir eine Idee in den Sinn. Ich zog meine Jacke aus und legte sie über den Vogel…
Dann wickelte ich den gefederten Gesellen in die Jacke ein …“ fragte einen Jogger, ob er mit mir die Rabenkrähe in meinem Rucksack … „ein nestet“. Die Rabenkrähe zeigte sich dem friedlich gesonnen …“ obwohl sie schon im wahrsten Sinne des Wortes Schiss hatte…(wie sich in meiner Jacke später zeigte) Sie saß nun in meiner Jacke in meinem Rucksack, den Kopf frei vorne raus gestreckt. Ich nahm den Rucksack, samt drinnen befindlicher Rabenkrähe, in die Arme und fuhr auf meinen Inlinern los.

Es war ein unbeschreibliches Gefühl …“ das Inline-Skaten mit Rabenkrähe im Arm. Ich fuhr so mit ihr etwa 1,5 Kilometer die Nidda entlang, über eine Brücke, dann einen Anhang rauf. In Gedanken fragte ich mich schon, wie ich sie später am besten im Auto Richtung Tierärztin transportiere, mit welcher Kreditkarte ich bezahle….etc.

Aber es kam anders als erwartet…ich kam an einen Bahnübergang – es machte schwupps – die Rabenkrähe hüpfte aus der Jacke raus und kraxelte plötzlich auf den Bahnschienen rum….
Ich dachte: Ein schlechter Ort zum Sterben…wenn jetzt ein Zug kommt.
Eine Frau mit Kind wunderte sich, wo auf einmal die Rabenkrähe herkam.
Aber es kam wieder anderes als gedacht…. sie hob vom Boden ab….und flog….
Sie drehte eine Extra-Runde in der Luft und flog von dannen…
Ich schaute ihr nach und war sehr glücklich über dieses Erlebnis.